Auch wenn das hier kein Bericht über eine Fototour ist, gibt es trotzdem ein bisschen Musik zum Text. Viel Spaß! ☺️
Wenn man mit der Kamera unterwegs ist, hat man manchmal viel Zeit zum Nachdenken — gerade bei längeren Autofahrten oder wenn man die Stille der Natur genießt. Diese Momente bieten wunderbare Gelegenheiten, verschiedene Interessen miteinander zu verknüpfen. Und so kam mir der Gedanke: Was wohl ein Stoiker oder Buddhist zur Fotografie in der Natur oder in urbanen Umgebungen sagen würde?
Wenn ich mal wieder auf dem Boden liege, um einen Löwenzahn zu fotografieren, was seit den klappbaren Displays glücklicherweise nicht mehr so oft vorkommt, könnte sowohl ein Stoiker als auch ein Buddhist das als Wertschätzung der Natur ansehen. Und genau das tut doch eigentlich jeder, der in der Natur unterwegs ist: Wir genießen die frische Luft, die schöne Landschaft und die Pflanzen. Der Unterschied, wenn man eine Kamera dabei hat, ist wahrscheinlich der, dass die meisten Fotografen den Gedanken haben, mit jedem Foto die Zeit einzufrieren. Das kann dazu führen, dass wir an der Vergangenheit festhalten.
Ein Stoiker würde wahrscheinlich sagen, dass man nur seine eigene Reaktion im Hier und Jetzt kontrollieren kann und deshalb nicht versuchen sollte, an den fotografierten Moment festzuhalten. Es geht darum, alle unkontrollierbaren Ereignisse zu akzeptieren und das zu kontrollieren, was in der eigenen Macht liegt. Mir wird dabei gerade klar, dass meine Wanderung zu den Ilsefällen ein gutes Beispiel dafür ist. Das Navi führte mich von der falschen Seite an die Ilsefälle, sodass ich spontan eine kleine Wanderung unternahm. Auf dem Weg fiel mir auf, dass ich keine Ahnung hatte, wohin ich gehen musste. Aber ich hatte ja mein Handy dabei, mit dem ich navigieren konnte. Dachte ich zumindest. Bis mir auffiel, dass ich in einem Nationalpark keinen Empfang hatte. Ja, manchmal bin ich etwas zerstreut, denn darauf hätte ich auch früher kommen können. Als ich mein Ziel auf Umwegen erreichte, war das wenige Wasser, das ich dabei hatte, bereits leer, und ich musste noch ca. 4 km zurücklaufen. Mitte Juli war es auch nicht gerade kühl und so hielt mich nichts mehr zurück, als ich das kalte, klare Wasser des Flusses sah, sodass ich mit Klamotten und Kamera mitten hinein ging, was mir ein lustiges Erinnerungsfoto, frisches Wasser für den Rückweg und eine angenehme Abkühlung einbrachte. Ich würde sagen, dieses Erlebnis kann ein Beispiel dafür sein, unkontrollierbare Unwegsamkeiten zu akzeptieren und trotzdem weiterzumachen. Oder? 🙂
Auch Buddhisten schätzen die Natur, sehen in ihr aber den Kreislauf von Entstehen und Vergehen. Die Natur wird respektiert. Im Gegensatz zu den Stoikern betrachten sie sie jedoch nicht als göttlich oder von einer logischen Vernunft durchdrungen. Für sie ist die Natur die Möglichkeit zur Erleuchtung. In den Fotos, die ich von den Ilsefällen gemacht habe, und den Prozess des Fotografierens könnten sie die Chance sehen, die Welt zu beobachten und zu verstehen und damit auf dem Weg zur Erleuchtung zu sein.
Auch wenn wir in der Stadt stehen und das wuselige Treiben der Menschen beobachten könnte das als Möglichkeit angesehen werden, die Herausforderungen und die Schönheit des Lebens in der Stadt zu erkennen und das Alltägliche in einem neuen Licht zu sehen. Wer von uns hat nicht schon einmal an einem schattigen Platz in der Stadt gesessen und die vorbeilaufenden Menschen beobachtet? Der eine gestresst vom Alltag, der andere auf dem Weg zu einem Treffen mit einem Freund oder beim Schaufensterbummel. Jeder hat seine eigene Geschichte, die nur er selbst kennt. Jeder hat Pläne geschmiedet, Niederlagen erlebt, Herausforderungen gemeistert — und wer weiß, was sie schon alles erlebt haben oder noch erleben werden?! Es ist schließlich nicht jeder so verrückt, einen Teil seines Lebens öffentlich auf einer Website zu teilen. Wobei hier ja auch nur ein Bruchteil meiner Geschichten zu finden ist. Ich hätte noch so viele verrückte und lustige Geschichten zu erzählen, die aber einfach nichts mit Fotos zu tun haben und hier nicht rein passen.
Erwähnenswert ist wohl auch noch, dass hinter jeder Windschutzscheibe eines Autos, an Kassen und vielen anderen Orten einer dieser Menschen sitzt steht oder läuft.
Das Thema „Vergehen“ finde ich auch sehr spannend und wichtig. Ab und zu kommt es vor, dass ich hier sitze und mir alte Fotos ansehe. Manchmal Schnappschüsse von Geburtstagen, Weihnachten, Silvester oder einfach schöne und lustige Momente dazwischen und manchmal auch künstlerische Fotos, in denen ich meistens viel Arbeit und Zeit gesteckt habe und ich vermute, dass ich nicht der einzige bin, der sich gern Fotos ansieht. Deswegen möchte ich hier noch zwei weitere Lehren aufgreifen.
Zuerst der Buddhismus: Er lehrt, dass man nicht an der Vergangenheit festhalten sollte, weil sie Leid bringen kann. Als jemand, der dazu neigt, sich durch die rosarote Brille an Vergangenes zu erinnern und sich zu wünschen, manches noch einmal erleben zu können, stimme ich dem absolut zu. Eine harte Wahrheit ist, dass alles, was entstanden ist, auch wieder vergehen wird. Selbst Erinnerungen und Gefühle. Wenn wir in Geschichten und Erinnerungen verharren, können wir die Gegenwart nicht mehr vollständig erleben. Du kannst dir wohl vorstellen, dass mir das oft besonders Schwer fällt. Immerhin betreibe ich eine Website, auf der ich Geschichten erzähle, die ich erlebt habe oder Fotos zeige, die eine eigene Geschichte erzählen oder Erinnerungen festhalten.
Der Stoizismus lehrt etwas ganz ähnliches. Allerdings aus einem anderen Grund. Wir sollten nicht an Dingen festhalten, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, was so ziemlich alles betrifft außer unseren Gedanken und unserem Handeln. Besonders Fehler und negative Erfahrungen sollten wir loslassen, da wir uns sonst emotional von ihnen abhängig machen. Diese Gedanken hindern uns daran, auf unserem Weg zur emotionalen Freiheit und Glückseligkeit voranzukommen. Ein Stoiker lernt zwar aus der Vergangenheit, aber er hängt nicht an ihr. Wenn ich also merke, dass ich wieder zu intensiv an die Vergangenheit denke und mir wünsche, eine Geschichte noch einmal erleben zu können, muss ich mich selbst davon abhalten. Seitdem ich das tue, merke ich, dass es mir gut tut — aber es ist nicht immer leicht, die Aufmerksamkeit wieder auf das Hier und Jetzt zu lenken.
Tja, was bedeutet das jetzt konkret für alle, die mit der Kamera vor einem Löwenzahn auf dem Boden liegen? Ich würde sagen: Schätzt die Natur, seid euch bewusst, dass jeder Moment einzigartig ist. Genießt ihn und lasst ihn dann los, um den nächsten besonderen Moment erleben zu können. Für mich persönlich können solche Momente sogar eine Art Meditation sein: Ein Augenblick, in dem ich alles Unwichtige ausblenden und mich auf das Wesentliche konzentrieren kann — ohne einen Gedanken an Arbeit, Rechnungen, Politik oder andere unangenehme Themen zu verschwenden. Das Hier und Jetzt ist alles, was wir haben – genieße es. 🙂
An dieser Stelle ein kleiner Aufruf an alle Buddhisten und Stoiker: Habe ich eine wichtige Information vergessen, falsch interpretiert oder ein Thema nicht angesprochen, das du gerne in diesem Text gesehen hättest?
Schreibe es mir unter info@flos-fototouren.de mit dem Betreff „Philosophie“ — und ich werde deine Antwort unter diesem Text veröffentlichen.
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